Wie künstliche Intelligenz das Krisen- und Katastrophenmanagement verändert

Inhaltsverzeichnis

1) Im Schatten der nächsten Katastrophe

„Eine Flut kommt nicht angekündigt. Doch mit genug Daten, Sensoren und Algorithmen könnte sie zumindest besser bewältigt werden.“ Diese Aussage trifft den Kern: Krisen – ob Naturkatastrophen, Technologieausfälle oder Cyberangriffe – nehmen an Frequenz und Komplexität zu. Gleichzeitig wächst die Hoffnung, dass künstliche Intelligenz (KI) hier zur Schlüsseltechnologie wird. Doch Hoffnung reicht nicht.

Es gilt: Was kann KI real leisten? Wo liegen die Grenzen? Und was bedeutet das für Unternehmen, Behörden und Bürger*innen?

2) Der Status quo: KI in der Praxis – Potenziale & Beispiele​

Im Mai 2024 nutzte das Deutsches Zentrum für Luft‑ und Raumfahrt (DLR) Drohnen-Livebilder und KI zur Echtzeit-Kartierung eines simulierten Erdbebengebiets im Rahmen der Übung ACHILLES 24. Die KI-Modelle erkannten automatisch Gruppen von Menschen, Fahrzeuge und Trümmer, priorisierten Einsatzgebiete und übermittelten Daten in das Koordinationssystem der United Nations INSARAG. *

Das Projekt SPELL – geleitet vom Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) – entwickelt eine semantische KI-Plattform für Leitstellen und Krisenstäbe, um große Datenmengen zusammenzuführen, kontextualisiert auszuwerten und bessere Entscheidungen zu ermöglichen. *

Auf politischer Ebene fördert das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) vier große Forschungsprojekte im Rahmen der „KI-Innovationswettbewerbs“ mit dem Fokus „KI für Krisenmanagement“. Ziel: KI-gestützte Dienste für Behörden, Unternehmen und Gesellschaft. *

3) Die Kern-Potenziale von KI im Krisenmanagement

a) Frühwarnung & Prognose
KI kann große Datenmengen (Wetterdaten, Satellitenbilder, Social Media, IoT-Sensoren) analysieren, Muster erkennen und Risiken antizipieren – z. B. drohende Überschwemmungen, Erdrutsche oder kritische Infrastruktur-Ausfälle.

b) Situationsbewusstsein & Einsatzkoordination
In Echtzeit erstellte Karten, KI-gestützte Analyse von Drohnen- oder Satellitenbildern ermöglichen bessere Orientierung vor Ort (siehe DLR-Beispiel). Damit lässt sich schneller reagieren und Ressourcen effizienter einsetzen.

c) Bürger-Einbindung & Crowdsourcing
Neuere Studien zeigen: KI plus Social Media können Bürger*innen als Datenquelle aktivieren — z. B. Meldungen über Schäden, Bedarf, Warnsignale. Ein Artikel aus dem „International Journal of Emergency Medicine“ fand: KI-gestütztes Crowdsourcing verarbeitet Echtzeit-Social Media, liefert schneller Hinweise, koordiniert Aktionen und stärkt Gemeinschaftsresilienz. *

d) Automatisierte Entscheidungsunterstützung
KI-Systeme können Entscheidungsträger*innen mit Analysen versorgen, Szenarien simulieren und Entscheidungsvorschläge liefern – insbesondere wenn Zeitdruck besteht. Allerdings: Menschliche Führung bleibt zentral. Eine Studie mahnt: „KI darf nicht die Steuerung übernehmen, sondern muss den Menschen unterstützen.“ *

4) Die Herausforderungen & Schattenseiten – wenn KI nicht einfach die Lösung ist

a) Daten- und Systemabhängigkeit
KI funktioniert nur mit hochwertigen, aktuellen Daten. In Krisen kann die Datenlage brüchig sein (Sensor-Ausfall, Kommunikationsprobleme). Eine falsche oder veraltete Datengrundlage kann Fehlentscheidungen begünstigen.

b) Vertrauens- und Ethikfragen
KI-Systeme im Krisenmanagement operieren in hochsensiblen Umgebungen – Menschenleben stehen auf dem Spiel. Eine OECD-Analyse weist darauf hin, dass Behörden beim Einsatz von KI in Katastrophen- und Risikomanagement eine besonders hohe Vertrauens- und Verantwortungsrolle haben. *

c) Komplexität & Super-Wicked Probleme
Krisen sind nicht nur schlecht vorhersehbar, sie sind „super-wicked problems“: hochkomplex, vernetzt, mit wenig Zeit zur Korrektur. Eine Studie zeigt: KI muss speziell für Krisen entworfen werden – mit Prinzipien wie menschlicher Kontrolle, Berücksichtigung von Verletzbarkeit und solidarischem Handeln. *

d) Technologische Grenzen & Missbrauchsrisiken
Generative KI, Social Media, automatisierte Tools bergen auch Risiken: Verbreitung von Fehlinformationen, algorithmische Verzerrungen, Systemmanipulationen. Ein Review zeigt: KI + Crowdsourcing haben Potenzial, aber Infrastrukturlücken, Datenschutz und technisches Personal sind Hürden. *

5) Was bedeutet das konkret für Unternehmen, Behörden & Bürger*innen?

  • Für Unternehmen & Behörden: KI-Tools sollten Teil eines größeren Krisenmanagementsystems werden — nicht alleiniger Lösungsansatz.
    Wichtig: Trainings, Szenarien, Schnittstellen Mensch-Maschine, Datenschutz- und Ethikrichtlinien.

  • Für Kreise wie Heilpraktiker*innen oder Einsatzkräfte: Auch sie müssen KI verstehen – ihre Rolle im System kennen, wissen wann und wie KI unterstützt, wann sie eigenständig handeln müssen.

  • Für Bürger*innen & Familien: KI kann Warnung sein – aber kein Ersatz für Selbstschutz. Wer weiß, dass Algorithmen im Hintergrund laufen, sollte dennoch Vorräte haben, Kommunikationswege klären und eigenes Verhalten planen.

6) Handlungsempfehlungen – 3 Schritte für ein „KI-bewusstes“ Krisenmanagement

Schritt 1: Kompetenzaufbau
Mitarbeiter*innen, Führungskräfte, Einsatzkräfte sollten geschult werden im Verständnis von KI-Tools, Chancen, Grenzen und kritischen Fragen.

Schritt 2: Integrierte Systeme aufbauen
KI-Lösungen müssen eingebettet sein in Prozesse, nicht parallel operieren. Schnittstellen Mensch-Maschine definieren, Verantwortlichkeiten klären, Szenarien üben.

Schritt 3: Transparenz & Ethik sicherstellen
Einsatz von KI muss transparent sein – wer entscheidet, wie validiert wird, wie Datenschutz gewährleistet ist. Als Bürger*innen sollten wir wissen: welche Daten verarbeitet werden, wie der Algorithmus funktioniert, welche Rechte wir haben.

7) Fazit – Zwischen Automatisierung und menschlicher Führung

Die Idee ist verlockend: KI erkennt die Katastrophe, schickt Hilfe, rettet Leben. In der Realität jedoch bleibt das Bild größer und komplexer. KI ist Werkzeug, nicht Retter. Wer das vergisst, könnte im nächsten Großfall enttäuscht werden.

“Resilienz ist kein Programm – sie ist eine Kultur. Und KI kann sie unterstützen, aber nicht ersetzen.”

Die Notfallakademie steht dafür, diese Kultur zu bauen: technisch fundiert, praxisnah und menschlich orientiert.

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